Sonntag, 20. April 2014

P A S S I O N.



Heute am Ostersonntag endet meine kleine Reihe zum Thema „Selber denken“, zeitgleich mit der vorösterlichen Passionszeit.
Erstaunlich, dass mich der Begriff erst heute das erste Mal beschäftigt und stutzig macht. Passion verbinde ich sofort mit Leidenschaft, mit positiver Energie und hingebungsvollem Einsatz. Wahrlich etwas komisch, dass die Passionszeit vor allem dazu genutzt wird, an das Leiden Christi zu erinnern und sich mit der Frage zu beschäftigen, warum er sterben musste. Auch „Nicht-Christen“ benutzen gern die Zeit, um Gedanken zu ordnen, Macken zu überprüfen und vielleicht eine Art persönlichen Reset-Knopf zu drücken. Leiden und Passion (als synonym für Leidenschaft) erscheinen auf den ersten Blick konträr, meinen aber das Gleiche. Das lateinische passio, was Leiden bedeutet.
Und wahrhaft, irgendwie leuchtet es mir ein. Schärft und entwickelt nicht erst das Aufstehen nach dem Leiden die Leidenschaft? Entfacht nicht erst das Überwinden von vermeidlich Unüberwindlichen neue Lebenskraft?
Für mich steht die Ostergeschichte auch immer wieder für die Tatsache, dass alles möglich ist. Selbst Situationen, die einem als ausweglos erscheinen, wo alle Türen als schwere Stahltore die Wege versperren, nur die Hoffnung einen Spalt bilden kann. Und  wir dennoch immer wieder überrascht werden vom Wandel unseres eigenen Weges. Darüberhinaus auch die Aufforderung an seiner Leidenschaft festzuhalten,  an sich zu glauben!
Warum die Hummel fliegen kann? Weil sie einfach fliegt und nicht weiß, dass ihre Flügelflächen sie rein physikalisch gesehen, gar nicht tragen können.
Leider ist es manchmal unglaublich schwer seinem Instinkt zu folgen, auf sich zu hören. Ständig ist man mit „Geboten“ konfrontiert: tu dies nicht, sei das nicht, mach es so und nicht so. Wer kann da noch seinen eigenen Willen spüren? Die Anforderungen werden unmenschlich und viele fangen an zu stolpern, obwohl sie aufrechte Geher sind.
In solchen Situationen nicht zu resignieren und mühsam weiterzusuchen, auf sich zu trauen. Für mich eines der größten Herausforderungen.
Die sieben Wochen „Selber denken“ haben mir geholfen, Kraft zu gewinnen, für alles was kommt. Leid, Freude, Glück, Pech, Sonne und Regen... Denken, suchen, reden, handeln, prüfen, bekennen und leuchten waren die einzelnen Stufen des Passionsweges, der zu keinem bestimmten Ziel führte, aber ein Stück zu mir selbst.
Mit dem Gedicht von Marie Luise Kaschnitz wünsche ich Euch ein gesegnetes Osterfest oder einfach einen leuchtenden Start in den Frühling!



Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.
Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.
Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.


Marie Luise Kaschnitz

4 Kommentare:

  1. Es ist auch für mich immer wieder eine Herausforderung nicht zu stolpern , aber es ist auch eine sehr große Herausforderung niemanden zum Stolpern zu bringen . Speziell bei den Kindern war es eine Gratwanderung die auch leicht zum Absturz hätte führen können . Aber wie du sagtest , bei jedem Hinderniss welches bezwungen wurde wurde auch die Kraft größer und der Weg leichter .
    Dir auch ein schönes Osterfest !
    Liebe Grüße , Ursula

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  2. Sehr klug geschrieben, finde ich.
    Ich als Anhängerin der Achtsamkeit finde, dass es sich sowieso lohnt, immer mal wieder inne zu halten, den Autopiloten auszuschalten, die gelernten "Gebote" zu vernachlässigen und zu schauen, wie es wirklich ist. Und das muss man wirklich üben, weil wir geschult sind, so zu denken und zu handeln, wie es dienlich ist... wem auch immer.
    Alles Liebe und frohe Ostern!
    Sabine

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  3. leiden und passion (als synonym für leidenschaft) scheinen für mich überhaupt nicht konträr
    weder auf den ersten, noch auf den zweiten blick
    passion, leidenschaft obsession - was auch immer
    wenn du so etwas in dir trägst für eine ganz bestimmte sache dann ist das nicht immer nur freude
    wenn du es ernst meinst bestimmt diese sache dein leben und das kann sehr schön und bereichernd sein
    aber auch eine unglaubliche last
    wenn du den perfektionismus den du anstrebst einmal nicht erreichst dann leidest du richtig
    wenn du den perfekten raum für diese eine situation erschaffen willst und siehst am ende alle parameter gehen auf, das verhalten der menschen, das licht, die porportion - dann ist das grossartig
    geht das aber einmal daneben dann quälst du dich mit der suche nach dem warum
    zweifeln wie indre unten schreibt - und ich unterstreiche ihre ansicht das zweifeln und in frage stellen mit die wichtigsten dinge im leben sind um vorwärts zu kommen
    eben so wie das scheitern und das leidenschaft auch das schaffen von leiden sein kann und vielleicht muss wenn man es sich nicht bequem machen möchte

    aber das ist meine ansicht

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    1. Genau! Das schrieb ich ja. Ich finde es sehr einleuchtend, dass die diese beiden Begriffe, Leid und Passion sehr wohl zusammengehören. Und mit diesem Wissen lässt sich für mich "der Weg" leichter beschreiten. Es gibt kein perfekt, kein "richtig" und keine "eine" Richtung.
      Und Glaube und Zweifel sind wie Samen und Erde.
      Wolltest du mit deiner Ansicht nun zustimmen oder verstehe ich dich falsch?

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